Endlich hatte es auch mal zu einem gemeinsamen Ansitz geklappt: Wir bezogen die Kanzel bei leicht bewölktem Himmel an einem Platz mit weitem Blickfeld. Hinter uns hoch stehende Gerste, rechter Hand Weizen, dazwischen ein Wiesenstreifen, dann ein Feld mit noch nicht definierter Frucht, begrenzt von einer kleinen Streuobstwiesen-Parzelle und einem Bach als Reviergrenze. Weit vor uns ein goldgelbes Band in voller Blüte stehender Raps - eine traumhafte Kulisse.Schon als wir aufbaumten, konnten wir drei Rehe in dem Weizen rechts von uns ausmachen, die uns zum Glück nicht bemerkten. Leise nahmen wir unseren Platz ein und fingen sogleich mit unserer Observation an. Es waren zwei weibliche Rehe und ein Bock mit stumpfem, aber massigem, lauscherhohen Spießergehörn. Es war spannend den dreien zuzugucken, wie sie immer wieder in dem hohen Bewuchs auftauchten, um wieder zu verschwinden und an ganz anderer Stelle frech aus den Halmen zu äugen. Da sie sich sehr vertraut verhielten und sich auch an unserem Flüstern nicht störten, konnte ich Max ausführlich über Lebensweise, Verhalten, und Altersansprache* unterrichten. Die Sonne sank tiefer und wir konnten noch drei Stück Rehwild im Gegenhang des Nachbarreviers beobachten, als plötzlich der gesuchte Bock aus dem Raps auf uns zu zog. Ich kannte diesen Bock schon von vorherigen Ansitzen, vom Körperbau her schlecht veranlagt und nicht mit besonders ausgeprägtem Gehörn. Da er auffallend helle Stangenenden aufwies, hatte ich ihn 'Den Hellen' genannt. Ich griff nach dem Gewehr, um anlegen zu können, als plötzlich 'Der Stumpfe' von einer Geiß gefolgt aus dem Weizen preschte und der Helle daraufhin die Flucht ergriff. Der Stumpfe schreckte* ihm noch wütend hinterher und sprang dann überraschender Weise in die Gegenrichtung ab, aus unserem Blickfeld. Die Geiß blieb verlassen inmitten des Wiesenstreifens zurück und schaute verdutzt 'ihrem' Bock hinterher. Sie wandte sich wieder ihrer Abendvesper zu und äste vom Klee und Löwenzahn, dann zog sie von dannen.