
Entscheidende Prägungsphase
Beschnuppern: Erste Kontaktaufnahme. Foto: Werner Stief
Nur wer einen Jagdhund führt mit Anlagen, die der Rüdemann auch befriedigen kann, wird eine harmonische Beziehung aufbauen können. Für mich als anerkannter Schweißhundeführer ist die Alpenländische Dachsbracke genau die richtige Wahl. In den nächsten Wochen setze ich gezielt dementsprechende Umweltreize ein, um uns zu einer Einheit zusammen zu schweißen. Schon auf der Heimreise in den Westerwald, 550 Kilometer waren zu bewältigen, lernte Xandro seine neuen Hundegefährten kennen. Zum einen Diana im 9. Behang und Napoleon im 4. Behang. Beides Alpenländische Dachsbracken, die in meiner anerkannten Schweißhundestation anfallende Nachsuchenarbeiten verrichten. Eins stellte sich sofort heraus, gute Nerven hatte Xandro. Einmal in der Transportbox gelandet, schon schlief er die ganze Heimfahrt ohne Pause. Zu Hause angekommen, erstmal fressen, dann sich lösen und die Umgebung erkunden. So sind Welpen! Stellen Sie sich einmal vor, sie nehmen einen Menschen und verfrachten ihn in ein ganz neues Umfeld. Kommt der Mensch auch so unproblematisch damit klar?
Meine momentanen Lebensumstände machten es möglich eine interessante, vielleicht auch etwas verrückte Idee zu verwirklichen. Ich blieb zuerst eine Woche zu Hause, damit Xandro sich an sein neues Umfeld gewöhnen konnte. Dann ging es auf große Fahrt quer durch Deutschland. Mit dem Wohnwagengespann und meinen drei Hunden begann das Projekt „Prägungstour – Welpe Xandro“. Wir hatten 240 Stunden Zeit uns aufeinander einzustellen.
Viele Umweltreize ermöglichten eine intensive Prägung auf sein späteres Leben, als Schweißhund. Auch meinen „alten Hunden“ tat das richtig gut! Zuerst ging es für zwei Tage in die Eifel. In der Nähe von Ettringen konnte ich mein Gespann am Waldrand an der dortigen Jagdhütte aufstellen. Viele Abläufe lernte nun Xandro ganz nebenbei. Das Mitfahren im Auto, natürlich in eigener Transportbox, das Tragen eines Lederhalsbandes und die ersten Schritte an der Leine. Das allabendliche Ritual Kuscheln auf der Liege mit mir am Lagerfeuer. Die Körpernähe der Bezugsperson spüren, das erzeugt Geborgenheit und Bindung zwischen Hund und Mensch.Ein kleiner Abstecher in Richtung Laacher See ermöglichte mir den ersten Geruchskontakt mit frischen Schwarzwildfährten. Starke Wechsel führten vom Waldrand in einen großen Rapsschlag. Diana und Napoleon zeigten sofort die frischen Fährten an. Das erregte natürlich Xandros Interesse und er folgte, wie die Alten einige Meter der Fährte.
Eindrücke sammeln
Intensive Kampfspiele zwischen den Geschwistern Xandro und X. Foto: Werner Stief
Während dieser Tage stellte sich eine innige innerartliche Bindung zum Rüden Napoleon ein. Er war unser Wächter und Beschützer. Ein richtiger Kumpel halt. Zu meinem Erstaunen ging meine Hündin Diana auf Distanz. Spielaufforderungen von Xandro wurden mit Knurren und Zähnefletschen quittiert. Äußerst wichtig war es mit Xandro die ersten Erkundungen durchzuführen. Ohne meine Zwei anderen. Die Fokussierung soll überwiegend auf mich als Rudelführer erfolgen.
Auf einem nahe gelegenen Bauernhof war ein Schwimmteich, teilweise veralgt, aber mit vielen Kaulquappen. Diese erregten großes Interesse und es kam wie es kommen musste. Beim Fischen nach den Algen fiel Xandro in den Teich. Emsig versuchte er aus dem Wasser zu gelangen, doch das Ufer war zu steil. Jetzt stellte sich für mich die Frage: Wie wird der Welpe mit dem Konflikt fertig und meidet er fortan Wasser? Kurzer Hand half ich ihm aus dem Wasser heraus, er schüttelte sich und weiter ging es.
Wiedersehen mit “X“
Gemeinsames Spielen der beiden Dachsbracken-Welpen. Foto: Werner Stief
Nun war es soweit. In einem ein Hektar großen eingezäunten parkähnlichen Anwesen trafen die Geschwister auf einander. Beide Welpenrüden bewindeten erstmal gegenseitig den Fang. Dann würde intensiv das Waidloch beschnuppert und langsam begann der Ringkampf. Immer wieder abwechselnd versuchten sie ihr Gegenüber in die Unterwerfungsposition zu drängen. Mit dem ganzem Körpergewicht wurde versucht den anderen auf den Boden zu drücken. Standen beide wieder, ging es einträchtig zur Wasserwanne und der Durst wurde gestillt. Weiter ging es Schulter an Schulter. Es wurde geschoben und gedrückt bis einer wieder umfiel. Völlig normal war ein lautstarkes Getöse, manchmal knurren oder bellen. Für Rüdemänner war dieses Verhalten absolut in Ordnung. Abwechselnd wurde an der Rute, am Behang oder einfachheitshalber an der Kopfhaut gezogen. Ein ganz normales Welpenspiel, das gut 1,5 Stunden andauerte. Mich beeindruckte die Ausdauer und auch die Intensität des Spieles. Eine Pause passte nicht in den Ablauf. Absolut faszinierend, was Welpen im Alter von zehn Wochen für Kräfte entwickeln können.
Fazit des Aufeinandertreffens:
X und Xandro - friedlich vereint. Foto: Werner Stief
Es kam zu erneutem Aufeinandertreffen der Geschwisterrüden, wobei die Spielintensität der ersten Begegnung nicht mehr erreicht wurde. Weiterhin wurde leidenschaftlich gekämpft und gespielt. Abwechselnd wurden herumliegende Bälle oder Blumentöpfe durch die Gegend getragen. Nun kam eine Verhaltensweise, die man auch von Kindern her kennt, zum Vorschein. Es war immer das Spielzeug interessant, dass der andere gerade herumtrug.
Während meines ausgiebigen Fahrradtrainings mit Diana und Napoleon, blieb Xandro in einer Transportbox im Wohnwagen. Vorher gefüttert und ausgeführt, war er nun müde und schlief bis ich nach zwei Stunden wiederkam. Nach zehn Tagen toller Erlebnisse und vor allem intensiver Beschäftigung mit meinem zehn Wochen alten Welpen Xandro ging es wieder nach Hause. Diese außergewöhnliche Prägungsreise werden wir „Vier“ niemals vergessen!
Nur wer viel Zeit mit seinem Welpen verbringt, wird eine notwendige intensive Bindung zwischen Mensch und Hund erreichen. Die ersten Wochen sind die wichtigsten im Leben eines Welpen.
Werner Stief