Es mag wohl der großen Leistung des Langzeitgedächtnisses geschuldet sein, dass sich Kindergebete wie „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich den Himmel komm“ und Reime wie „Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie Du den Schmerz!“ unauslöschlich in meinen Hirnwindungen verankert haben. Spätere, selbst verfasste Gedichte dagegen lassen sich für mich nur reproduzieren, wenn ich diese für irgendwelche Geburtstage oder andere Festivitäten zusammengereimten Zeilen in irgendwelchen Ordnern zufällig wiederfinde.
Bruchstückhaft sind mir unlängst Textpassagen aus einem fast sechzig Jahre zurückliegenden, vorweihnachtlichen Krippenspiel wieder eingefallen. Ich hatte damals nur eine kleine Rolle zu spielen, aber der Text des kurzen Dialogs hatte sich nach so vielen Jahren aus irgendeiner Hirnzelle wieder „zu Wort“ gemeldet. Nicht etwa beim Besuch eines Weihnachtsmarktes nach Genuss von Glühwein, sondern auf dem Heimweg von der Jagd.
Nachdem sich herbstlicher Bodennebel breit gemacht hatte und ein weiteres Warten auf Rehe sinnlos erschien, baumte ich im letzten Dämmerlicht ab und begab mich auf den Heimweg. Ich hatte den Blick gesenkt, war in Gedanken schon bei den Planungen für den weiteren langen Abend und sah mich plötzlich mitten im Wald, soviel ließ das Licht noch zu, einem Esel gegenüber. Einem Esel – jawohl, einem Esel!
Ich hatte im Revier schon mehrfach unverhoffte Begegnungen mit Haustieren. Einmal war es ein Schaf, das offenbar den Anschluss an die Herde verloren hatte; dann ein gut genährter Schäferhundmischling, der wohl von der Brautschau auf einem der umliegenden Höfe, wo man ihn mit der Mistgabel vertrieben hatte, mit eingezogener Rute dem heimatlichen Hof zuschlich.
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