Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es sich um keinen Zwitter handelte, sondern dass der Rehbock aufgrund der kleinen Hoden eine geringere Hormonproduktion und somit ein verzögertes Geweihwachstum hatte. Möglicherweise spielten auch noch weitere Faktoren, wie beispielsweise ein Befall mit Magen-Darmparasiten eine Rolle. Eine Kleinhodigkeit (Hodenhypoplasie) kommt bei Haustieren häufiger vor als bei Wildtieren. Sie ist meist angeboren bzw. hat hormonelle Gründe oder besteht deshalb, weil die Hoden während ihrer Entwicklung in der Bauchhöhle oder im Leistenkanal zurückblieben und damit zu hohen Temperaturen ausgesetzt waren.

Die kleinen Hoden lassen nicht auf einen Zwitter schließen
Die Brunftkugeln des Bockes waren auffällig klein.
Zwitter (Hermaphroditen) haben primäre (Hoden/Eierstöcke) und/oder sekundärer Geschlechtsmerkmale (z.B. Geweih) des männlichen und weiblichen Geschlechts in einem Individuum. Bei Wildtieren ist die Zwitterbildung vorwiegend bei Reh- und Rotwild beschrieben, wo sie entweder erblich bedingt ist oder durch hormonelle Einflüsse währen der Tragzeit zustande kommt. In den meisten Fällen handelt es sich jedoch um Scheinzwitter (Pseudohermaphroditismus), bei denen die Keimdrüsen (Hoden bzw. Eierstöcke) eingeschlechtlich sind, die sekundären Geschlechtsorgane (Geweih, Gesäuge, Pinsel usw.) aber verschiedenartige Abweichungen aufweisen. Dazu zählt auch ein Teil der „gehörnten Geißen“, wie auch männliche Rehe, deren Hoden in der Bauchhöhle verblieben und deren äußere Geschlechtsorgane weiblichen Charakter aufweisen.
Möglichkeiten der Diagnose von echten Zwittern scheitern meist daran, dass beim Aufbrechen die Beckenorgane entfernt und dabei Geschlechtsorgane – wie Eierstöcke, Gebärmutter oder kleine Hoden – übersehen wurden. Häufig finden sich in der Jagdpresse nur anektotische Berichte mit unvollständiger Beschreibung der dabei vorgefundenen Geschlechtsorgane. Es ist auch nicht immer leicht, dass verkümmerte Hoden im Leistenkanal oder in der Bauchhöhle, kleine Eierstöcke und dünne Eileiter oder eine kleine Gebärmutter im Becken bzw. der Bauchhöhle gefunden werden.
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