Selbstversuch Jagd in Namibia: Ansitz der anderen Art (Teil IV)
von
Lasse Weicht
am
27.09.2017
Ein Rind verendet durch einen Schlangenbiss. Trotzdem findet sich noch eine Verwendung, die neben der Jagd gleichzeitig auch dem Artenschutz dient.
Es ist acht Uhr morgens, als das Handy von Farmerin Imke klingelt. Unweit vom Hof liegt eines ihrer Rinder kraftlos auf dem Boden und kann sich kaum mehr bewegen. Bei unserer Ankunft zeigt sich ein schlimmes Bild. Die Kuh atmet schwer und versucht noch zu schlegeln, was sie in ihrem geschwächten Zustand aber kaum noch schafft. Keiner der Arbeiter weiß genau, was dem Rind so schwer zugesetzt hat und so entscheiden wir uns, die schwerkranke Bonsmara-Kuh von ihrem Leid zu erlösen. Doch als die Arbeiter mit dem nötigen Gerät zur Notschlachtung zurückkommen, ist es bereits um sie geschehen. Ob es wohl eine der vielen Giftschlangen war, die sich hier durch den heißen Busch schlängeln?
An eine Verwertung des Fleisches als Lebensmittel ist auf jeden Fall nicht mehr zu denken, da sind sich alle Beteiligten einig. Also kommt das Aas auf den wohl größten Luderplatz, den ich je gesehen habe. „Wenn du willst, kannst du dich in dem Erdsitz am Luderplatz gleich heute Abend auf Schakal ansetzen“, bietet mir Imke an. Als ich ihr Angebot dankend annehme, habe ich noch keine Ahnung von dem, was mich am Abend noch erwarten wird.
Aufgeregt auf meinen ersten afrikanischen Ansitz, packe ich alles Nötige zusammen und begebe mich auf den Weg zu dem abgelegenen Luderplatz. Er liegt tief im Busch hinter einem Wall, der aufgeschoben wurde, um dort Wasser für Vieh und Wild anzustauen. Bereits beim Aussteigen bemerke ich, dass ich beobachtet werde. Fast zwanzig Geier kauern auf einem Baum hinter dem Wall und äugen interessiert in meine Richtung. Als ich den Wall überquert habe, merke ich jedoch, dass das bei weitem nicht der einzige Baum ist, auf dem sich die Geier niedergelassen haben. Baum für Baum sitzen über hundert hungrige Vögel, die wie aus dem Nichts von der toten Kuh angelockt wurden. Ein unglaublicher Anblick.
Während der letzten Jahrzehnte waren die Bestände der Ohren- und Weißrückengeier um bis zu 90 Prozent eingebrochen. Also scheint der Tod des Rindes doch noch etwas Gutes mit sich zu bringen, denke ich. Währenddessen beobachte ich die Geier weiter, die sich gierig an der Kuh laben.
Der Erdsitz erinnert von außen eher an eine der traditionellen Lehmhütten Afrikas als einen Ansitz. Nachdem ich ihn bezogen habe, versinke ich innerlich in Gedanken über die Schönheit der Savanne und ihrer tiefroten, langsam untergehenden Sonne. Eine plötzliche Bewegung im trockenen Flussbett reißt mich aus meinen Gedanken. Statt des ersehnten Schakals macht sich eine Rotte Warzenschweine, angeführt von einer starken Bache, auf zur Wasserstelle. Auf ihrem Weg kommen sie mir bis auf wenige Meter nahe, ohne mich zu bemerken. Doch sie haben Glück. Das Wildbret von Warzenschweinen ist nur wenig beliebt und deshalb entscheide ich mich, heute nur mit der Kamera zu schießen.
Ein paar Minuten später geht die berühmte, tiefrote Sonne Afrikas unter – ohne, dass ein Schakal zum Luder gekommen ist. Diesen Ansitz werde ich dank der unverhofften Gesellschaft trotzdem nicht so schnell vergessen.
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