Was bewirkt die Faszination, die von dieser Persönlichkeit ausgeht? Der Forstmann, Naturschützer, Jäger, Wildbiologe, Professor, Farmer, Dichter Aldo Leopold war zeitlebens nicht nur ein Vordenker, viel mehr auch die ökologisch-moralische Instanz einer Nation, die noch lange Zeit dem Denken und dem Stolz des Pioniergeistes verhaftet war.
Für eben diese Haltung gibt es kein besseres Zeugnis als eine Bemerkung, die der seinerzeitige Präsident der USA, Theodore Roosevelt, 1910 in seinen „Afrikanischen Wanderungen“ über Lord Delamere, den damaligen Gouverneur von British Ost-Afrika, gemacht hat: „Delamere war ein bekannter Großwild-Jäger gewesen, aber anstatt ein bloßer Jäger zu bleiben … wurde er einer der Führer bei der Aufgabe, die Wildnis urbar zu machen und die Wüsteneien der Welt für die Kultur zu erobern. Es gibt keine bessere Lebensarbeit, der man sich zuwenden könnte!“
Doch bereits zehn Jahre später kam nach dem Rausch der Eroberung eines Kontinents die Ernüchterung vieler nachdenklich gewordener Amerikaner und die Einsicht, dass auch ihr Land nicht unendlich ist – nicht zuletzt auch angesichts der verheerenden Staubstürme, die den bloßgelegten Boden „urbar“ gemachter Prärien in die Städte trugen.
Keiner hat diese Erkenntnis so eindrücklich, häufig geradezu poetisch formuliert wie Aldo Leopold. Und er hat seine Überzeugung nicht nur in Worten dargelegt, sondern in einem praktischen Beispiel in die Tat umgesetzt. Die „Renaturalisierung“ einer devastierten und aufgelassenen Farm in Wisconsin hat er 1948 in seinem Buch „A Sand County Almanach“ beschrieben. In millionenfacher Auflage verbreitet, ist es noch heute so etwas wie eine Bibel für seine Schüler und Anhänger. Im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit und gerade auch bei der praktischen Arbeit auf seiner Farm hat Aldo Leopold eine Grundeinstellung des Verhältnis der Menschen zur Natur – zum „land“ – entwickelt, die er in seiner „land-ethic“ mit der lapidaren Forderung formulierte: „Harmonie zwischen den Menschen und der Umwelt“!
In der Einleitung zu „A Sand County Almanac“ schrieb er 1948 unter anderem:
„Es gibt Menschen, die ohne die Natur („Wild Things“) leben können und andere, die das nicht können. Meine Essays bezeugen die Freude und die Nöte von einem, der das nicht kann. ,Wild Things‘ wurden als ebenso selbstverständlich angesehen wie der Wind und der Sonnenuntergang, bis der Fortschritt begann, sie zu bedrohen. Jetzt stehen wir vor der Frage, ob ein immer höherer Lebensstandard den Verlust dieser freien und wilden Natur wert ist. Für uns, die Minderheit, ist die Möglichkeit, den Zug der Gänse am Himmel zu beobachten, wichtiger als das Fernsehen, und das Glück, eine seltene Blume zu finden, ist ein ebenso unveräußerliches Recht, wie die Redefreiheit. Wir missbrauchen die Natur, weil wir sie als Ware betrachten, die uns gehört. Wenn wir sie als eine Lebensgemeinschaft sehen, zu der wir selber gehören, könnten wir anfangen, sie mit Liebe und Respekt zu nutzen! Die Natur als Lebensgemeinschaft, das ist die Grundidee der Ökologie, aber dass man sie lieben und respektieren muss, das ist eine Frage der Ethik.“ „Wir sind verantwortlich für eine Entwicklung, die sich der Rechte der eigenen Generation allzu sicher ist! Aber unsere Gesellschaft ist wie ein Hypochonder, so besessen von ihrem ökonomischen Wohlergehen, dass sie ihre Gesundheit verloren hat.“ „Liebe und Respekt gegenüber der Natur“, das war es, was Leopold seinen Studenten und Landsleuten vermitteln wollte, und dabei wurde ihm zunehmend die Bedeutung umfassender ökologischer Zusammenhänge klar, in die auch der wirtschaftende Mensch einbezogen wird.