
Unsportliche Hühner
(Fotos: J. E. Tillmann)
Ebenfalls zeigen die Autoren, dass es anatomische Unterschiede im Verdauungstrakt gibt, wobei die wilden Hühner einen längeren Dünndarm und Blinddarm sowie einen vergleichsweise schwereren Muskelmagen besitzen. Damit können die Wildvögel Nahrung effizienter aufschließen und eine höhere Nährstoffausbeute erzielen.Diese Unterschiede kann man durch die Bedingungen in den Volieren erklären: Die Ernährung ist dort rohfaserärmer und energiereicher. Wildvögel haben dagegen ein ständiges 'konditionelles Training' durch die wenig üppige 'Naturnahrung'. Die mangelhafte Fähigkeit zur Feindvermeidung, reduzierte Effizienz in der Nutzung der natürlich vorkommenden Nahrungsressourcen und eine höhere Anfälligkeit für Krankheiten sind häufig das Resultat künstlicher Rebhuhnaufzucht. Bei abrupter Aussetzung ist bei Volierenvögeln von einer sehr geringen Überlebensrate auszugehen. Je nach Qualität der Aufzucht und der Haltung und somit der Qualität der Vorbereitung der Rebhühner auf die Freilassung gibt es entsprechende Unterschiede. Einige Anbieter bereiten die Rebhühner durchaus angemessen auf die Auswilderung vor, so gut wie die künstliche Aufzucht es eben erlaubt. Dennoch zeigten Prof. Sodeikat und seine Mitarbeiter (1995) am Beispiel Fasan in ihrer vergleichenden Untersuchung zum Erfolg des Auswilderns aus Extensiv- und Intensivhaltung, dass ungeachtet der 'Produktionsform' beide Gruppen gleich schlechte Überlebensraten in der Feldflur aufwiesen. Gewöhnlich überleben beim Aussetzen von Flugwild weniger als 40 Prozent den ersten Monat.
Problematisch für das Auswildern von Rebhühnern ist auch die häufig über viele Generationen gehende Volierenhaltung ohne Austausch oder Einkreuzung von Wildfängen. In Gefangenschaft überleben nur diejenigen, die wenig Scheu aufweisen und nicht gleich bei jeder Störung auffliegen und verunfallen. Dies sind jedoch auch diejenigen, die sich am wenigsten in der Wildbahn behaupten und kein ausreichendes instinktives Feindvermeidungsverhalten zeigen. Die Gefangenschaftshaltung von Rebhühnern über mehrere Generationen führt zu einer Selektion der Individuen, die am besten an die Gefangenschaft angepasst sind – sie sind quasi andomestiziert. Ihre Eignung für die freie Wildbahn muss bezweifelt werden.
Lokale Anpassung
Hieraus folgt, dass die beste Anpassung an die örtliche Situation des Revieres immer die autochthonen, in der Region angestammten Rebhühner besitzen. Sie haben unter dem lokalen 'Ausleseregime' überlebt, Erfahrungen gesammelt und können diese an ihren Nachwuchs weitergeben. Seien es noch so wenig Individuen, so sind sie von ihrer Genetik her durch keine andere Herkunft zu ersetzen oder zu 'ergänzen', geschweige denn zu verbessern. Alles sollte daran gesetzt werden, die natürlich vorkommenden Restbestände zu hegen. Aussetzungen anderer Herkünfte – ausgenommen sind hier natürlich die Rebhühner, die aus ausgemähten Gelegen aufgezogen wurden – können durch Durchmischung des Genoms sogar den Fortbestand der Restpopulation infrage stellen! Darüber hinaus stellen ausgesetzte Rebhühner, wenn sie nicht angemessen auf die freie Wildbahn vorbereitet sind, nicht selten eine leichte Beute für Fressfeinde dar. Sobald Rebhühner konzentriert in einem Revier ausgesetzt werden, zieht diese leichte Beute in der Regel Fressfeinde an und schult diese auf das Reißen oder Schlagen von Rebhühnern. Dadurch erhöht sich auch auf andere Wildarten der Prädationsdruck.
Traditionen
(Fotos: J. E. Tillmann)
Das Aussetzen
Rebhühner sollten daher ausschließlich dann ausgesetzt werden, wenn eine lokale Population ausgestorben ist. Dabei muss berücksichtigt werden, dass meist nur in suboptimalen Lebensräumen – also, wenn keine oder eine nur mehr geringe Kapazität für Rebhühner vorhanden ist – Populationen erlöschen. Agrarlandschaften, in denen das Rebhuhn ausgestorben ist, haben häufig schlichtweg nicht mehr die notwendige Ausstattung des Lebensraums in der Qualität und Quantität zu bieten, die erforderlich ist, um eine überlebensfähige, geschweige denn jagdlich nutzbare Population zu tragen. Rebhuhnpopulationen muss man in allererster Linie über Lebensraum verbessernde Maßnahmen aufbauen und hegen. Um einer Restpopulation 'unter die Schwingen zu greifen', sollte mit Priorität alles daran gelegt werden, den Lebensraum so zu gestalten, dass er sich den Ansprüchen des Rebhuhns wieder annähert. Beispielsweise ist es Erfolg versprechend, Stoppeläcker über den Winter liegen zu lassen (Tillmann 2006), Senf als Zwischenfrucht anzubauen oder Äcker etwa im Rahmen der freiwilligen Flächenstilllegung oder im Rahmen von Agrarumweltprogrammen brachzulegen und rebhuhnfreundlich zu gestalten. Ein dichter Winterweizenbestand ist, insbesondere, wenn das Gesperre geführt wird, versiegelter Lebensraum und nur am Rand nutzbar. Solche Flächen können gezielt mit Ansaatmischungen für mehrere Jahre begrünt werden, wie in dem Projekt 'Lebensraum Brache' (www.lebensraum-brache.de) praktiziert und bestätigt wurde. Wichtig für das Rebhuhn als Laufvogel sind auch schüttere und lückige Vegetationsbestände, damit es sich frei auf dem Boden bewegen kann. Brachen mit dicht aufgelaufenem Bewuchs müssen aufgelockert werden, indem man außerhalb der Brutzeit Schneisen mulcht oder besser grubbert.
Fester Wohnsitz
Bei Hecken ist darauf zu achten, dass sie regelmäßig auf den Stock gesetzt werden. Durchgewachsene Hecken mit höheren Überhältern meiden die Rebhühner bewusst, da dort Gefahr durch ansitzende Greifvögel droht. Eine Verbesserung des Lebensraums wird ebenfalls durch die Schaffung von Ruhezonen in der Feldmark erreicht. Wie oben bereits beschrieben, bedeutet Störung etwa durch frei laufende Hunde immer Stress für die Rebhühner und führt besonders im Winter zu Energieverlust, der in der kargen Winterlandschaft mühevoll wieder ausgeglichen werden muss. Freier Boden, lückige, niedrige Vegetation und Ruhe im Revier: So einfach verschafft man Rebhühnern den Himmel auf Erden.