Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein bloßes Verfolgen eines Jagdhundes durch einen Wolf noch keinen „Angriff“ darstellt. Greift der Wolf tatsächlich an, stellt sich die Frage nach den Rechtfertigungsgründen. Notwehr (§ 32 StGB) scheidet aus, weil diese einen Angriff durch einen Menschen voraussetzt. Die Tötung oder Verletzung des Wolfs könnte jedoch durch einen Notstand nach Paragraph 34 StGB gerechtfertigt sein. Denn greift ein in der Regel körperlich überlegener Wolf einen Jagdhund an, besteht unstreitig eine gegenwärtige Gefahr für das Eigentum (den Jagdhund). Da der rechtfertigende Notstand des Paragraph 34 StGB auch zu Gunsten Dritter eingreift, kommt es nicht darauf an, ob der Hund dem handelnden Jäger gehört oder einem anderen. Der Schuss auf den Wolf ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Gefahr nicht anders abzuwenden ist! Der Jäger muss daher zuvor versuchen, den Angriff durch lautes Anschreien, Armfuchteln oder einen Warnschuss abzuwehren. Eine tatsächliche Verletzung des Hundes muss jedoch nicht abgewartet werden! Für die Rechtfertigung durch einen Notstand ist schließlich erforderlich, dass „bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt.“ Dem zu schützenden Eigentum steht bei der Abwägung aber kein Individualgut gegenüber. Die in Paragraph 34 Satz 1 StGB aufgeführten Schutzgüter betreffen „Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut“.
Das Tötungsverbot nach Paragraph 44 BNatSchG ist lediglich eine individuelle Rechtspflicht, aber kein individuelles Rechtsgut. Das öffentliche Interesse am Tier- oder Artenschutz ist daher nicht in die Güterabwägung des Paragraph 34 StGB einzubeziehen. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, geht die Abwägung zu Gunsten des Jagdhundes aus: Der Wert eines ausgebildeten Jagdhundes ist so erheblich, dass er nicht als unwesentlich gegenüber dem Interesse am Artenschutz zurücktritt. Neben dem wirtschaftlichen Wert ist auch das besondere Verhältnis zwischen dem Hundehalter und dem Jagdhund zu berücksichtigen. Dieses Vertrauensverhältnis und damit auch der Erfolg der Jagdausübung, lässt sich durch die Neubeschaffung eines Jagdhundes über lange Zeit nicht kompensieren.
Hinsichtlich des Artenschutzes ist darüber hinaus zu beachten, dass es sich hierbei um den Schutz der Population handelt und nicht um den absoluten Schutz des einzelnen Individuums. Angesichts der derzeit wachsenden Wolfspopulation stellt der Ausfall eines Exemplars keine Beeinträchtigung des Bestands dar. Die Zahl der durch natürliche Ursachen oder den Straßenverkehr eintretenden Todesfälle ist vielfach höher, sodass der seltene Fall eines Abschusses im Rahmen einer Notstandshandlung zu vernachlässigen ist. Für dieses Ergebnis spricht auch Art. 16 Abs. 1 Buchstabe b FFH-Richtlinie, wonach die Tötung des Wolfes unter die erlaubten Ausnahmetatbestände fiele, weil es zur Rettung des Hundes „keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt“ und sich der Erhaltungszustand der Population nicht verändern würde. Entsprechendes gilt nach § 45 Abs. 7 Nr. 1 BNatSchG, wonach von dem Tötungsverbot des § 44 BNatSchG Ausnahmen zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden zugelassen werden können. Diese Ausnahmeregelung macht deutlich, dass auch der Artenschutz im Verhältnis zu anderen Gütern zurücktreten kann.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Verhalten des Wolfs, das als „Ultima Ratio“ einen Schuss erfordert, voraussichtlich um ein atypisches handelt. Insoweit ist es naheliegend, dass der Wolf krankheitsbedingt oder aufgrund einer Habituierung die Scheu vor dem Menschen verloren hat oder in besonderer Weise aggressiv ist. Diese Einzelexemplare können sogar nach den Leitlinien und Managementkonzepten der Länder der Natur entnommen werden. Solche in dieser Art gefährlichen Wölfen stellen nicht nur eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, sondern insgesamt auch für die staatlichen Konzepte zur Rückkehr der Wölfe in Deutschland.
Fazit: Für den Fall, dass erforderliche Abschreckungsmaßnahmen versagen, wäre der Abschuss eines Wolfs zur Rettung eines Jagdhunds durch den Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt. Es bleibt für den handelnden Jäger allerdings das Problem, sein Verhalten glaubhaft darzustellen, damit seine Schilderung nicht als „Schutzbehauptung“ bewertet wird. Daher ist eine anschließende Beweissicherung durch staatliche Organe dringend anzuraten.