
Auch am 15. Februar deutete zunächst nichts auf eine Nachsuche hin. Dahlem saß in offizieller Mission der Jägerschaft Soltau vor einem Berg Trophäen, die er für die Hegeschau bewerten sollte. Eine wichtige Aufgabe, die keinen Aufschub duldete. Jedenfalls nicht bis zu dem Moment, als gegen neun Uhr sein Handy klingelte. Er ließ alles liegen und fuhr schnell nach Hause zur Försterei Miele. Dahlems Schweißhund legte sich ohne Aufforderung in den Dienstwagen und wartete routinemäßig auf die Fahrt zum nächsten Einsatz. Diesmal war die Reise kurz. Aus Dahlems eigenem Revier hatte ein Forstwirt angerufen und von einem starken Rothirsch berichtet, der "sehr krank" über einen Weg gewechselt und im angrenzenden Kiefernwald verschwunden war. Lediglich auf drei Läufen sei der apathisch wirkende, bis auf die Rippen abgemagerte Hirsch langsam gezogen, berichtete der Forstwirt.
<div class="absatz">Weder Trittsiegel noch Schweiß<p></div></p>
Dreieinhalb Stunden war die Fährte inzwischen alt, die Witterung trocken bei Frost. "Brix" nahm die Fährte sofort auf und arbeitete sie zügig. Es gab zwar keinen Schweiß, aber offensichtlich hatte der Hirsch genügend andere Signale hinterlassen, die der Hundenase bedeuteten, dass Aussicht auf Erfolg bestand. Relativ schnell führte der dunkle Hannoveraner Dahlem tief in das sogenannte Scheuerbruch, einem Fichten-Birken-Moorwald nahe des kleinen Dorfes Hustedt. Nie konnte der Führer die Arbeit seines Hundes kontrollieren, nicht einmal Trittsiegel gab es auf dem hart gefrorenen Boden. Aber ein Gespann dieser Professionalität braucht keine Bestätigung, es zweifelt nicht, es vertraut, es weiß.
<div class="absatz">Kein Anblick von geballter Kraft und Schönheit<p></div></p>
HS-Rüde „Brix“: Über 580 Nachsuchen hat er insgesamt mit seinem Führer erfolgreich beendet. Foto: Seeben Arjes
Auf seine große Freude legte sich aber alsbald ein Schatten: Es war der 15. Februar und somit Schonzeit! Und dies war dem Anschein nach ein Hirsch der Klasse I. Davon gibt es nicht viele und noch weniger werden erlegt. Dem Kreisjägermeister werden immer mal wieder "Notabschüsse" mit der Bitte gemeldet, sie nachträglich zu genehmigen. Hans Knoop lässt sich aber nichts vormachen. Er kommt immer selbst zur "Beschau" und entscheidet dann nach eigenem Befund über das Maß der "gehabten Not". Im Hof der alten Försterei brauchte der sachkundige Kreisjägermeister aber nur einmal hinzuschauen. Dann beglückwünschte er den Schweißhundführer zur richtigen Entscheidung im Sinn des Tierschutzes. Dem schloss sich auch der Leiter des Klosterforstamtes FD von Waldhausen gerne an. Das Alter des Rothirsches wurde auf neun bis zehn Jahre geschätzt. Das Geweih hatte ein Gewicht von 7,3 Kilogramm, mehr als 200 IP.
Als Dahlem später vor versammelter Mannschaft bei Hörnerklang ein Bruch überreicht wurde, war bei keinem seiner Kollegen, Jagdhelfer oder Gäste Neid zu spüren. Wenn ein Schweißhundführer neben seiner dienstlichen Arbeit in einem Jagdjahr 99 Mal für andere Jäger erfolgreich nachsucht, hat er dafür einen Lohn verdient. Den hatte ihm nun das Schicksal beschert. Passend zum Jubiläum seiner 100. erfolgreichen Nachsuche einen Lebenshirsch in der "Nachspielzeit".
Seeben Arjes
Link: Video "Anschuss-Seminar mit einem Schweißhund-Führer"