Ein Blick auf die Bedeutungsentwicklung und den -inhalt der jagdlichen Begriffe Bestand und Besatz hilft, um sie bewusst zu gebrauchen: Der erweiterte Begriff Wildbestand bezieht sich auf alles vorhandene Hochwild in einem bestimmten Gebiet (Hegegemeinschaft, geschlossener großer Waldkomplex). Während Bestand die einzelnen Wildarten näher bezeichnet (z.B. Rotwildbestand), bezieht sich der erweiterte Begriff Wildbesatz auf alles Niederwild – zumeist in einem Jagdgebiet, da es sich um Arten mit kleinerem Raumanspruch handelt.
Jägersprache: Was sind Bestand und Besatz?

Wann wurde „Stand" zum „Bestand"?
Seit dem 16. Jahrhundert wurde Stand zumeist auf das Hochwild bezogen. Im 1759 erschienenen „Forst- Jagd- und Weidewercks-Lexikon“ von Johann August Großkopff wird mit Stand ein Ort bezeichnet, „wo sich die Hirsche und Auer-Hähne in der Prunfft und Paltz-Zeit ofte spühren und antreffen lassen, sie haben ihren Stand allda, sagt man“. Und in der 1913 im Verlag von J. Neumann erschienenen „Deutsche Weidmannssprache“ des Ernst Ritter von Dombrowski gilt das Wort Stand in diesem Sinn nur für das zur hohen Jagd gehörende Haar- und Federwild und für den Ort, wo sich das Wild aufhält. Unterschieden wurde weiterhin zwischen Sommer-, Winter-, Brunft- und Balzstand.
Nebenher nahm Stand auch die Bedeutung von vorhandener Menge auf einer bestimmten Fläche an. In „Riesenthals Jagdlexikon“ von 1916 (Verlag von J. Neumann-Neudamm) heißt es: „Die Anzahl des in einem Revier stehenden Wildes, z.B. der Stand an Rotwild, beträgt 15 Stück.“ Besonders im süddeutschen Raum hat sich Stand für die Gesamtheit des Wildes bzw. einer Wildart innerhalb eines bestimmten Gebietes erhalten und wird synonym für Bestand benutzt.
Der erst in jüngster Zeit aus der Forstwirtschaft in den jagdlichen Wortschatz übernommene Begriff Bestand bringt mit der Vorsilbe „Be-“ eine bestimmte Menge zum Ausdruck – die Gesamtheit des Hochwildes bzw. des Schalenwildes in einem Jagdbezirk. Unterschieden wird nach Frühjahrsbestand (bis 31. März), Grundbestand (Bestand am 1. April nach Übergang in die nächst höhere Altersklasse) und Sommerbestand (Grundbestand zuzüglich Zuwachs an Jungwild).
Die ältere Waidmannssprache kannte die beiden Begriffe Bestand und Besatz nicht. Es wurde von Stand gesprochen, von Wildstand, der als Rechtsbegriff räumliche Bedeutung hatte: ein vor Übergriffen geschützter Ort, in dem sich Wild häufig oder ständig aufhielt. Bedeutungsgleich mit Stand wurden die Wörter Wildbretstand, Wildstand und Wildunterstand benutzt.
"Besatz" steht für Niederwild
Bei Fasanen spricht man von einem „guten Besatz".
Der Begriff Besatz geht in seiner Bedeutung auf Satz in der Bedeutung „Anzahl zusammengehöriger Gegenstände“ zurück. Er wurde im 19. Jahrhundert Jägerwort für einen Wurf von Hasen beziehungsweise Kaninchen. Deshalb nennt man die innehabende Häsin auch Satz- oder Setzhase, die ihre Jungen setzt (abgeleitet von der Grundbedeutung des Wortes sitzen = an einen bestimmten Ort hingesetzt werden).
Mit der Vorsilbe „Be“ zu Besatz erweitert, gilt der Begriff für die Gesamtheit des Hasen- beziehungsweise Kaninchenbesatzes eines Revierteils bzw. Reviers oder einer Landschaft. Schließlich wurde Besatz erweitert auf alles Niederwild, Rehwild eingeschlossen, da es nach alter Einteilung zum Niederwild zählt.
Da Rehwild aber zum Schalenwild gehört, sich also vom „kleinen“ Niederwild unterscheidet, spricht man heute vom Rehwildbestand, nicht vom Rehwildbesatz.
Im jagdlichen Sprachgebrauch heißt es: Ein Niederwildrevier ist gut oder schlecht besetzt, oder der Niederwildbesatz ist gut beziehungsweise schlecht. Das bedeutet, die Gesamtzahl des Niederwildes ist hoch oder niedrig.
Woher kommen die Begriffe „Hochwild" und „Niederwild"?
Die heute verblassten Begriffe Hohe Jagd und Niedere Jagd haben ihren Ursprung im Mittelalter, also zur Zeit landesfürstlicher Jagdhoheit – ebenso wie die Bezeichnungen Hochwild und Niederwild. Wie weit diese Trennung zurückgeht, zeigt ein Diplom für das Jagdrecht auf Hochwild, das Otto I. der Kirche zu Utrecht 944 verlieh. Unter Kaiser Maximilian I. (1459 - 1519) wurde ein umfassendes Jagdregal, also jagdliches Hoheitsrecht eingeführt. Jeder Regent konnte nun nach seinem Ermessen über die Zuordnung der Wildarten entscheiden. Die Einteilung erfolgte willkürlich und wich daher in den einzelnen deutschen Ländern voneinander ab. Aus der Trennung der Jagd in Hohe Jagd und Niedere Jagd sind die Begriffe Hochwild und Niederwild zu erklären.
In „Riesenthals Jagdlexikon“ heißt es: „Im Allgemeinen teilt man die Jagd ein in hohe und niedere, zum Teil früher auch in hohe, mittlere und niedere, wofür man auch Hohejagd, Mitteljagd und Niederjagd sagt. Diese Einteilung hatte in älteren Zeiten, wo die Jagd noch Regal war, mehr Bedeutung als jetzt. Wenn der oberste Jagdherr an der Jagd oder dem Geschmack eines Wildes Gefallen fand, so nahm er dessen Jagd einfach für sich in Beschlag, wodurch es der ‚hohen Jagd‘ einverleibt war. Daher kommt es, dass die Einteilung in den verschiedenen Ländern voneinander abweicht.
Um Einheitlichkeit in der gedachten Richtung zu erzielen, hat das Institut für Jagdkunde (Neudamm) im Jahre 1914 Vorschläge gemacht, die fast überall angenommen worden sind. Zum Hochwild zählte danach Rot-, Elch-, Dam-, Reh-, Stein-, Gams-, Ren- und Schwarzwild sowie Wisent, Wildziegen, Bär, Luchs, Wolf, Auer- und Trutwild, Trappe, Kranich, Schwan, Adler und Uhu. Alles übrige Wild gehörte zum Niederwild.“
Gesetzgeber hat das letzte Wort
Was auffällt: Rehwild gehört nach eben zitiertem Expertenrat zum Hochwild. Liest man in alten Jagdordnungen nach, wird sichtbar, dass Rehwild teils zum Hochwild, teils zum Niederwild gerechnet wurde. Unterschied man darüber hinaus noch eine Mitteljagd, fiel das Rehwild in diese Kategorie.
Carl Emil Diezel hat in seiner „Niederjagd“ von 1849 das Rehwild als Niederwild behandelt. Und diese Zuordnung wurde in den Nachauflagen dieses Jagdklassikers beibehalten.
Ob eine Wildart dem Hochwild oder dem Niederwild zugerechnet wurde beziehungsweise wird, entschied und entscheidet bis heute letztlich das Recht. Dem heutigen Bundesjagdgesetz nach zählen zum Hochwild: Wisent, Elch-, Rot-, Dam-, Sika-, Stein-, Gams-, Muffel-, Schwarz- und Auerwild sowie Steinadler und Seeadler. Rehwild und alles übrige jagdbare Wild werden zum Niederwild gerechnet.