Gerade Jäger sind von der Gefahr, durch einen Blitz getroffen zu werden, oft stärker bedroht als die meisten anderen Bevölkerungsgruppen. Schließlich bewegen sie sich nicht nur bei Schönwetterlagen längere Zeit in der freien Landschaft. Dabei suchen sie gerne herausragende Stellen (z.B. Kanzeln) auf und führen dabei meist eine Langwaffe. Gleichwohl bleibt aber auch für Jäger die Wahrscheinlichkeit eines Blitztodes kleiner als die Wahrscheinlichkeit eines Todes durch andere Gefahrenmomente des täglichen Lebens, wobei allerdings Wahrscheinlichkeitsaussagen für den konkreten Einzelfall kaum eine Bedeutung haben.
Bekanntlich ist eine Bedrohung, die man in ihrem Mechanismus versteht, nur noch eine halbe Bedrohung. Obwohl eine atmosphärische Entladung in etwa einer Sekunde abgeschlossen ist, weiß man heute recht genau, was dabei im Einzelnen abläuft: Ein sogenannter Abwärtsblitz zum Beispiel startet an der Wolkenunterseite im Bereich einer Ladungsanhäufung – zeitlich und örtlich zufällig. Er arbeitet sich von dort als stromschwacher Leitblitz diskontinuierlich zur Erde vor, wobei es zu Verzweigungen kommt. Von der Erde aus wächst ihm eine Fangentladung entgegen. Mit dem Zusammentreffen von Fangentladung und Leitblitz ist der Blitzkanal festgelegt, in dem sich nachfolgend ein oder mehrere stromstarke Hauptblitze mit jeweils 10 000 bis 100 000 Ampere (A) ausbilden. Daraus folgt, dass man tunlichst nicht Ausgangspunkt einer Fangentladung werden sollte, da diese doch wohl den Einschlagsort festlegt.
Zwischen einer glatt angenommenen Erde und einer Gewitterwolke existiert eine elektrische Feldstärke von 1000 bis 5000 Volt pro Meter (V/m). Das hört sich gefährlicher an, als es ist. Gefährlich – im Sinne der Zündung einer Fangentladung – kann es dann werden, wenn diese Gewitterfeldstärke lokal verstärkt wird. Und dieses tun alle geometrischen Störungen auf der zunächst eben angenommenen Erdoberfläche.
Der aufrecht stehende Mensch verstärkt die Gewitterfeldstärke je nach Schlankheit etwa um den Faktor 10 bis 15, gültig für den Kopfbereich. Hockt er sich nieder, vorzugsweise in einer Bodenmulde, so reduziert sich der Verstärkungsfaktor auf 1 bis 3. Die Abbildung im rechten Kasten gibt die Feldverstärkungsfaktoren eines Gewehrlaufs in Abhängigkeit zur senkrechten und waagerechten Tragweise der Waffe an.
Ist also bei einem Gewitter die Flucht in das metallene Jagdfahrzeug als einen „Faraday’schen Käfig“ ausgeschlossen, so bietet sich das Prinzip der doppelten Reduktion an:
- Man suche einen Ort mit reduzierter Gewitterfeldstärke auf und reduziere die Verstärkungsfaktoren. Reduzierte Feldstärken treten in der Nähe aller deutlich übermannshohen Strukturen (beispielsweise Baum, Hochsitz, Mast, Turm) auf.
- Da diese Strukturen ihrerseits aber bevorzugte Einschlagspunkte sind, ist ein Sicherheitsabstand einzuhalten. Der wiederum kann bei etwa der Hälfte der Strukturhöhe angesetzt werden. Der Sicherheitsabstand in einem gleichaltrigen Waldbestand ist nachrangig, da das gleichförmige Kronendach keine deutliche Feldverstärkung bewirkt.
Das passende Verhalten bei Gewitter zur „Reduktion der Verstärkungsfaktoren“ zeigt die obenstehende Liste ("Verhalten bei Gewitter").
Gewitter sind Komponenten eines ausgesprochen komplexen atmosphärischen Prozesses, der neben einer individuellen Bedrohung auch eine existenziell positive Bedeutung für das Leben auf der Erde hat. Das erforderliche Wissen für einen verantwortbaren Umgang mit dieser Gefahr ist jedoch auch ohne ein Physikstudium aufnehmbar. Dabei wird man jedoch erkennen, dass neben fast berechenbar erscheinenden Verhaltensmustern immer ein Rest bleibt, der durch den statistisch-chaotischen Charakter dieser Naturerscheinung im Einzelfall unberechenbar ist und zu wacher Aufmerksamkeit anhält.