3 Auch ein heimlicher Waldbock lässt sich an dem frischen Morgen von uns überraschen.
Stephan bleibt alle paar Schritte stehen, um zu überprüfen, ob Wild vor uns im Bestand steht. Dieses Revier kennt er wie seine Westentasche und bemerkt sofort, dass uns ein Stück anwechselt. Er bleibt stehen und nimmt das Doppelglas zur Hand. Nun kann auch ich erkennen, dass drei Stück Damwild links vor uns durch den Wald ziehen. „Ein Spießer ist dabei“, flüstert Stephan mir zu. Langsam zieht der Trupp weiter und verschwindet aus unserem Sichtfeld. „Das wäre jetzt so ein klassischer Fehlabschuss gewesen. Denn dieser Spießer hatte noch sein Geweih vom vergangenen Jahr auf, und ist somit kein Schmalspießer mehr“, erklärt der Fachmann. „Schmalschpießer schieben gerade ihre ersten Kolben und tragen jetzt nur kleine Bastknubbel.“
Wir setzen uns wieder in Bewegung und pirschen auf eine saftige Wiese zu. Schon von Weitem können wir durch die Lücken im Astwerk erkennen, dass einiges an Damwild dort zum Äsen steht. Schritt für Schritt kommen wir vorwärts. Ein Zaunkönig im Reisighaufen neben uns schimpft aus voller Kehle, als wir uns hinknien und das Rudel durchs Fernglas beobachten. „Sie haben alle die Häupter unten. Wir können also langsam weiter“, raunt mir der 45-Jährige zu und schleicht gebückt weiter. Nun führt der Pfad auf einen Graben zu, über dem eine Holzbohle liegt. Wenige Meter weiter steht eine große Kanzel. „Wir setzen uns drunter, sonst bekommen sie uns beim Aufbaumen spitz“, entscheidet Stephan.
Mit seinem Spektiv können wir nun gut ansprechen und einen Blick auf das große Rudel werfen. Das meiste ist Kahlwild. Es sind insgesamt über 50 Stück. Vertraut lassen sie sich das junge Gras schmecken. „Hier halten wir absolute Jagdruhe“, erklärt mir Stephan. „Deswegen sind sie den ganzen Tag zu sehen“. Noch stehen einige Schmalspießer beim Kahlwild. Sobald die Zeit des Setzens näher rückt, werden sie von den Alttiere abgeschlagen. Wir sitzen im nassen Gras an den Pfosten der Kanzel gelehnt und genießen noch ein paar Minuten den Anblick. Leise, wie wir gekommen sind, machen wir uns 20 Minuten später auf den Rückweg.