Für die Qualität eines Rehwildbestandes spielt neben der Habitatgüte vor allem die richtige Bejagung eine entscheidende Rolle. In Revieren mit stabilem Rehwildbestand muss der Abschuss so angepasst sein, dass der jährliche Populationszuwachs abgeschöpft wird und die Rehdichte dem Lebensraum angepasst bleibt. Je näher sich ein Rehbestand der Kapazitätsgrenze des Lebensraums nähert, desto schlechter wird seine Qualität.
Abschusserfüllung beim Rehwild: Kitze im Herbst bejagen

Gute Gründe dafür
- Verringerung der Äungskonkurrenz unter den Rehen.
- Bis September in ihrer körperlichen Entwicklung zurückgebliebene Kitze wachsen in den Folgemonaten meist nicht mehr. Ein richtiges Ansprechen der Rehe auf ihren tatsächlichen Konditionszustand ist nach dem Haarwechsel kaum mehr möglich, da dieser sie oft deutlich stärker wirken lässt.
- Schwache Stücke sind wesentlich anfälliger gegenüber Parasiten und anderen Krankheiten und stellen somit eine potenzielle Gefahr für den gesamten Rehbestand dar.
- Ein rechtzeitiger Abschuss verringert den Jagddruck zum Jahresende deutlich.
- Der unverzügliche, selektive Abschuss schwacher Stücke ist die beste prophylaktische Maßnahme gegen die Verbreitung von Krankheitserregern und hält den gesamten Bestand gesund.
- Sofern schlecht konditionierte Kitze überleben, wird ihr geringeres Wachstum des ersten Lebensjahres meist nicht mehr nachgeholt.
- Schwache Ricken sind schlechte Mütter, schwache Böcke entwickeln sich kaum zu guten Trophäenträgern.
- Die Bejagung kann in bestimmten Bereichen (Äsungsflächen) und zu fortgeschrittener Jahreszeit völlig eingestellt werden. DMV
Der Kitzabschuss muss schnell erfolgen
Besonders gut kann man das anhand der Rehkitze feststellen: Die Vermehrungsrate sinkt, viele Ricken führen nur ein Kitz, das durchschnittliche Körpergewicht der Kitze wird geringer. Auch die Kondition der Tiere leidet, und die Trophäen der Böcke werden schlechter. Parallel dazu steigen die Verluste aufgrund vermehrt auftretenden starken Parasitenbefalls und bestimmter Infektionskrankheiten.
Für den Aufbau eines qualitativ guten Rehbestands ist nicht nur die gesamte Zahl der erlegten Rehe, sondern vor allem die gezielte Entnahme der schwächeren Individuen sehr wichtig. Allerdings sollte dieser Grundsatz nicht nur bei den Böcken – wie es in manchen Jagdgebieten immer noch üblich ist –, sondern in erster Linie bei den Ricken und Kitzen angewendet werden! Vor allem der konsequente Abschuss der körperlich schwachen Kitze ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht ist der Grundstein einer qualitativ orientierten und praxisgerechten Rehwildhege.
Der Kitzabschuss sollte schnell erfolgen. Dabei gilt, so paradox das auf den ersten Blick erscheinen mag, insbesondere bei den körperlich schwächeren Kitzen der Grundsatz: je früher, desto besser. Die niedrigeren Gewichte solcher Kitze und deren schlechtere Vermarktung beim Wildbretverkauf dürfen kein Argument für das Abwarten sein, denn es gibt einen schwerwiegenden Grund für deren möglichst rasche Entnahme: Bei schwachen Kitzen besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie verstärkt von Parasiten befallen oder anders erkrankt sind. Das zeigen auch die Ergebnisse von Untersuchungen, die wir zwei Jahre lang in Referenzgebieten in Österreich und Tschechien mit teilweise großen Unterschieden in Lebensraum, Klima und Rehwildbestandsdichten durchgeführt haben.
Die Verbreitung von Parasiten verhindern
Der zeitliche Verlauf des Verfärbens im Herbst kann einen guten Hinweis auf die Kondition und den Gesundheitszustand des Rehwildes geben.
In diesen Gebieten wurde der Parasitenbefall bei erlegten Rehen in Relation zu deren Körpergewichten ermittelt. In allen Untersuchungsgebieten, unabhängig von deren unterschiedlichen Bedingungen, ergab sich bei den im Herbst erlegten Rehkitzen übereinstimmend ein klarer Zusammenhang zwischen ihren Körpergewichten und dem Parasitenbefall. So war zum Beispiel in der Forstverwaltung Meran in Stainz (Steiermark) bei Kitzen, deren Körpergewichte unter dem Durchschnitt lagen, der Befall mit dem für das Rehwild besonders schädlichen Großen Lungenwurm (Dictyocaulus spp.) in beiden Untersuchungsjahren etwa dreifach höher als bei den überdurchschnittlich starken Kitzen.
Ähnlich große Unterschiede zwischen den schwächeren und stärkeren Kitzen zeigten sich auch bei dem Befall mit verschiedenen Parasiten des Verdauungstraktes.
Ist ein starker Parasitenbefall oder eine andere Erkrankung die Ursache für eine verzögerte Entwicklung und eine schlechte Kondition, kann man nicht damit rechnen, dass sich die betroffenen Kitze in den nächsten Wochen bzw. Monaten erholen und wesentlich an Gewicht zunehmen. Sie scheiden aber während dieser Zeit täglich unzählige Parasiteneier bzw. -larven aus und ermöglichen so deren Übertragung auf andere Rehe. Die im Herbst ausgeschiedenen Larven einiger Parasitenarten, wie zum Beispiel jene des für das Rehwild besonders gefährlichen Großen Lungenwurms, können auf den Äsungsflächen oder an Fütterungen sogar überwintern und zur potentiellen Ansteckungsgefahr auf Äsungsflächen im Frühjahr werden. Zudem sind die infolge des Parasitenbefalls geschwächten Jungrehe extrem anfällig gegenüber anderen Krankheitserregern (Bakterien, Viren), die sich in ihrem Organismus leicht vermehren und dann auf andere Tiere ausbreiten können.
Die unverzügliche Entnahme solcher Kitze aus dem Bestand, ohne Rücksicht auf eine mögliche, aber geringe Gewichtszunahme, verhindert somit die Verbreitung von Parasiten sowie anderen Krankheitserregern. Somit wird die Gefahr einer Übertragung sehr effizient auf andere Rehe gemindert.
Schwache Kitze viel stärker von Parasiten befallen
Bei den in Revieren der Forstverwaltung Franz Meran (Stainz, Österreich) im Oktober erlegten und je nach Gewicht in zwei Gruppen eingeteilten Kitzen wurde der Befall mit den bedeutsamsten Nematoden (Fadenwurmarten) durch die Zählung der Würmer in der Lunge und dem gesamten Verdauungstrakt ermittelt.
Das durchschnittliche Gewicht der Kitze im Oktober betrug im ersten Untersuchungsjahr 8,2 kg und im zweiten 9,3 kg (jeweils aufgebrochen). Als „schwächere Kitze“ wurden jene bezeichnet, deren Gewicht unter dem durchschnittlichen Körpergewicht aller im selben Monat erlegten Kitze lag. Die Gruppe der „stärkeren Kitze“ wies ein Körpergewicht über dem ermittelten Durchschnitt auf.
Die Untersuchung zeigte, dass schwächere Kitze deutlich stärker mit Parasiten befallen sind als kräftige. Sie weisen einen dreimal so hohen Befall mit dem Großen Lungenwurm auf. Auch die jeweilige Menge der im Labmagen vorkommenden Fadenwurmarten Haemonchus contortus und Trichostrongylus axei sowie der Gattung Ostertagia ist bei geringen Stücken deutlich erhöht (bis zu 238 %, verglichen mit gesunden, starken Kitzen).
Ähnliches konnte für Fadenwürmer in Dünn-, Dick- und Blinddarm ermittelt werden. Spezies der Fadenwurmgattung der Cooperia waren im Dünndarm der schwachen Kitze sogar knapp 4,5-mal so häufig zu finden wie im Verdauungstrakt des starken Rehnachwuchses. DMV
Hege heißt, den gesamten Bestand im Blick zu haben
Diese drei dürften gesund und in guter Kondition sein …
Richtige Hege bedeutet, den gesamten Bestand und nicht nur das einzelne Individuum im Blickwinkel zu haben. Der möglichst frühzeitige Kitzabschuss und insbesondere die unverzügliche Entnahme der schwachen Kitze und deren Ricken sind nicht nur wildökologisch sinnvoll, sondern auch aus jagdwirtschaftlichen Überlegungen heraus absolut richtig. Der eventuelle Gewichtsunterschied bei den Kitzen zwischen Oktober und November bzw. Dezember ist in Wirklichkeit kein Argument, das die wesentlich schwerwiegenderen Nachteile des zu späten Abschusses aufwiegen könnte. Bei jenen Kitzen, deren schlechtere körperliche Entwicklung auf einen Parasitenbefall oder andere Erkrankung zurückgeführt werden kann, ist ohnehin mit keinem weiteren wesentlichen Wachstum mehr zu rechnen. Dr. Miroslav Vodnansky
Sonderheft Rehwild der dlv-Jagdmedien
Dieser Beitrag von Dr. Miroslav Vodnansky ist ein Auszug aus dem Sonderheft "Rehwild der dlv-Jagdmedien. Darin findet der Rehwildjäger ausführliche Informationen und neueste Erkenntnisse von der Wildbiologie über die Jagdpraxis bis hin zur Ausrüstung und Verwertung durch eine vielzahl von kompetenten Autoren aufbereitet. Auf der dazugehörigen DVD gibt es zusätzlich Tipps zum Aufbrechen und Zerwirken von Deutschlands häufigster Wildart.