Das Tierschutzrecht ist seit Jahren in Bewegung, und nur in eine Richtung: hin zu mehr Tierschutz. Dies betrifft nicht nur die Jagd, sondern hat längst die Nutztierhaltung, Zoo und Zirkus erreicht. Die Erhebung des Staatsziels Tierschutz auf Verfassungsrang war ein Turbolader für diese Entwicklung.
Da das Tierschutzrecht nicht nur bei der Vorschrift zum Verhalten gegenüber Tieren, sondern auch hinsichtlich der Bestrafung mit unbestimmten Rechtsbegriffen arbeitet, ist es für die Juristen ein leichtes Spiel, je nach politischer Einstellung die Stellschrauben in die eine oder andere Richtung zu drehen oder – wie im vorliegenden Fall – über das Ziel hinaus zu schießen.
Das Bundesjagdgesetz hat in Paragraph 22 a eine Spezialvorschrift, die der allgemeinen Norm des Tierschutzgesetzes als so genannte lex specialis vorausgeht.
Der Gesetzgeber hat alle aus seiner Sicht zu bestrafenden Handlungsweisen im Jagdwesen auch dort umter Strafe gestellt. Einen Verstoß gegen Paragraph 22 a BJagdG hat der Gesetzgeber jedoch bewusst nicht unter Strafe gestellt. Ob man dies als richtig bewerten möchte oder nicht, kann dahinstehen. Es ist jedenfalls nicht Aufgabe der Justiz, Straftatbestände zu konstruieren. Noch immer gilt der römischrechtliche Grundsatz: Nullum crimen sine lege scriptum - keine Strafe ohne schriftliches Gesetz.
Die Herausforderung für einen Juristen, im Wege der Rechtsfortbildung einen Teil Rechtsgeschichte zu schreiben, darf nicht auf dem Rücken redlicher Jäger erfolgen. Würde man das Jagdstrafrecht unreflektiert auf alle denkbaren Fälle des Tierschutzrechts ausweiten, hätte die Justiz sicherlich mehr zu tun, als sie abarbeiten könnte. Dies wäre im übrigen auch nicht vom Gesetzgeber gewollt; denn dessen Systematik ist im Wesentlichen abschließend im Jagdrecht geregelt. Nur subsidiär kann das Tierschutzrecht ergänzend beigezogen werden. Bei Heranziehung der spezialrechtlichen Vorschriften des Jagdrechtes wird auch deutlich , dass in derartigen Fällen nicht der Schütze, sondern der Jagdleiter verantwortlich ist für den Ablauf und die Unterbrechung der Jagd. Eine Grantenstellung des Schützen scheidet durch seine Position als Jagdgast aus.
Leider habe auch ich schon erlebt, dass es den Schützen verwehrt worden ist, angeschweißte und klagende Stücke in Hörweite zu erlegen, um die Sicherheit der Schützen nicht zu gefährden. Im Hinblick auf das hohe Gut des Tierschutzes sollten Schützen schon zu Beginn der Jagd bevollmächtigt werden, krankes Wild von seinen Leiden zu erlösen. Eine Abstimmung mit den Standnachbarn ist dabei per Mobilfunk schneller und unkomplizierter als hier erst die Jagdleitung zu informieren, die wiederum Hundeführer auf die Reise zu dem beschossenen Stück schicken muss. Durch vorausschauende Organisation und Ansagen bei Drückjagden können unnötige Leiden für das uns Jägern anvertraute Wild vermieden werden. Im Hinblick auf die gesellschaftliche Diskussion und die Rechtsprechungsentwicklung im Tierschutz sollten wir alles daran setzen, den Grundsatz der Waidgerechtigkeit – auch dies ein unbestimmter Rechtsbegriff – peinlichst genau einzuhalten. So gehört es dazu, jedem Anschuss eine Nachsuche folgen zu lassen, aber auch jedes klagende Stück Wild unverzüglich zu erlösen. Bei immer kürzer werdenden Jungjägerausbildungen dürfte es nahezu unmöglich sein, den angehenden Jägern jedes Detail des erforderlichen Verhaltens vor und nach dem Schuss an die Hand zu geben. Kein Jungjäger wird schief angesehen, wenn er zu Beginn einer Gesellschaftsjagd Fragen an die Jagdleitung richtet. Auch die erfahrenen Jäger sollten sich die Mühe machen, den jagdlichen Nachwuchs hinsichtlich der Waidgerechtigkeit an die Hand zu nehmen. Nur durch Kenntnis der jagdlichen Gepflogenheiten und Abstimmung untereinander können Strafverfahren wie das hier vorliegende in der Zukunft vermieden werden. Uns Jägern sollte dringend daran gelegen sein! Christian Teppe (www.teppe.de)