Angefacht durch ein Interview in der PIRSCH 8/2019 mit Hubert Aiwanger (Freie Wähler) entbrennt nun eine Diskussion um Kompetenzüberschreitungen in Bayerns Staatsregierung. Hubert Aiwanger, Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, stellvertretender Ministerpräsident im Freistaat und passionierter Jäger sprach mit der Redaktion unter anderem über die Bergwaldoffensive und seiner Arbeit als BJV-Kreisgruppenvorsitzender. Der jagdpolitische Sprecher der Grünen im Bayerischen Landtag sieht die Zuständigkeit im Ressort von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) und stellte darauf bezugnehmend eine schriftliche Anfrage an die Staatsregierung.
Bayern: Grüne kritisieren Aiwanger nach PIRSCH-Interview

Auch Rolle der Gams soll geklärt werden
Bündnis 90/Die Grünen möchte unter anderem wissen, ob die Staatsregierung mit Aiwanger übereinstimme, dass "der Staat als lachender Dritter oder eigentumsfeindliche Ideologien vom Ärger zwischen Jagdgenossenschaften und Jäger profitieren" und ob die Staatsregierung zudem mit der Aussage Aiwangers übereinstimme, dass "sich staatliche Stellen beim Thema Verbiss oftmals zu viel anmaßen". Weiterhin wird die Frage gestellt, ob Aiwanger bei Begängen im Gebirge teilnimmt, in welcher Funktion dies geschieht und ob er hierfür seinen ministeriellen Dienstwagen nutzt.
Die Grünen, seit der Landtagswahl im Herbst 2018 mit 38 Sitzen im Maximilianeum ausgestattet, fragen auch nach dem Gamswild: Aiwanger betonte im Interview, dass er diese Wildart nicht als Knospenfresser "abwerten lasse", sondern als Touristenfaktor etablieren möchte, was die Frage der Grünen verursachte, ob dann die Staatsregierung die Gams bisher als "reinen Knospenfresser" sehe?
Die Staatsregierung hat nun bis zum 2. Juli Zeit, die Anfrage schriftlich zu beantworten.
Auszüge aus dem Aiwanger-Interview
Durchsichtiges Ablenkungsmanöver
Die von Kritikern des Jagdwesens in Bayern gerne kolportierte "Dreieinigkeit" zwischen Bayerischem Jagdverband (BJV), CSU Landtagsfraktion und Bayerischer Staatsregierung besteht schon lange nicht mehr – sofern sie überhaupt je existiert hat. Dafür funktioniert ein anders Netzwerk tadellos: nämlich die "Dreieinigkeit" aus Forstverwaltung, Süddeutscher Zeitung und der Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen im Bayerischen Landtag. Fallweise unter Einbeziehung des Bund Naturschutz.
Nachweisen lässt es sich natürlich nicht, aber seit den Tagen der Projektgruppe "Waldumbau und Klimawandel" ist es hinlänglich bekannt, mit welchem politischen und medialen Instrumentenkasten die Forstvordenker in Bayern all denjenigen zu Leibe rücken wollten, die ihren wildfeindlichen Absichten kritisch gegenüber stehen. Die Anfrage der Grünen im Bayerischen Landtag ist ein Paradebeispiel dafür, dass die damals entwickelten Ideen nach wie vor wirksam sein könnten.
Durch die Aussagen von Staatsminister Hubert Aiwanger in der PIRSCH müssen sich weite Teile der Forstverwaltung zurecht kritisiert und herausgefordert fühlen. Da ist es für die Landtagsgrünen natürlich Ehrensache, politisch Sperrfeuer zu schießen. Auf den flankierenden Feuerschutz durch die "Süddeutsche" kann man dann getrost wetten, der kommt so sicher wie das Amen in der Kirche.
Soweit erwartbar, soweit auch eingetreten. Weit spannender ist die Frage, wie die Staatsregierung auf dieses durchschaubare Manöver reagiert. Geht es doch nur darum, einen Keil in die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern zu treiben, um die bisherige Praxis der Forstverwaltung aus der Schusslinie zu bringen.
Die CSU sollte darauf nicht hereinfallen, sondern der Versuchung, Aiwanger zu disziplinieren, widerstehen. Vielmehr könnte die Partei sich fragen, wer ihr das eingebrockt hat. Denn Aiwanger hat nur das ausgesprochen, was viele draußen im Lande genau so wahrgenommen haben: Anmaßendes Handeln staatlicher Stellen, die im Extremfall den Dorffrieden opfern, um ihre Ziele zu erreichen. Dagegen könnten CSU und Freie Wähler gemeinsam etwas unternehmen.
Josef-Markus Bloch