Ende Januar wurde auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz (Sachsen) eine Deutsche Bracke von einem Wolf gerissen. Schon damals war man sich darüber weitgehend im Klaren, dass Isegrim der Täter gewesen ist. Anders als damals vom Forstbetriebsleiter gegenüber der Redaktion angenommen, war der Hund einem Förster aber nicht während Holzarbeiten abgehauen, sondern er war zum Stöbern geschnallt. Nun äußerte sich der Besitzer der gerissenen Bracke, Jan Prignitz, zum genauen Ablauf der letzten Jagd seines Hundes, die sich dank eines GPS-Senders genau rekonstruieren lässt.
Wolf tötet Jagdhund: So sah es der Hundebesitzer

Chronologie der letzten Jagd der Deutschen Bracke „Ajax von der Muskauer Heide“
Am 30. Januar um 14:25 Uhr wurde die Deutsche Bracke „Ajax von der Muskauer Heide“ zur Suche nach Wild geschnallt. Der Hund suchte bis zirka 15 Uhr im Nahbereich um den Führer (bis zu 300 m) nach Wild. Er wurde zwischenzeitlich auch mal laut, kehrte aber mehrmals zurück. Gegen 15:05 Uhr fand Ajax Rotwild und entfernt sich Richtung Süd-West. Der Führer kennt die Wechsel und machte sich bereit, das Wild eventuell abzupassen und zu erlegen, wenn es den Rückwechsel annimmt.
Um 15:16 Uhr überfällt der Hund laut jagend die Zufahrtstraße zum Panzerschießplatz in der Nähe der Bundesstraße 115 und wird dabei von einem Wachposten der Bundeswehr an der B 115 gehört. Die Jagd setzt sich jetzt mehr oder weniger parallel der Bundesstraße nach Süd-Ost fort.
Um 15:20 Uhr verliert der Hund die Rotwild-Fährte und schlägt einen größeren Kreis, um die Fährte um 15:21:35 Uhr wieder aufzunehmen.
Um 15:23:41 Uhr überfällt der Hund eine Panzertraße 20 Meter neben der Rotwildfährte auf die Fährte zu. Das Bild der Fährten auf dieser sandigen Panzertrasse lässt die Schlussfolgerung zu, dass zu diesem Zeitpunkt schon mindestens ein Wolf dem Hund in zügigem Tempo folgte. Die Bracke ist zu diesem Zeitpunkt zirka 1500 Meter Luftlinie vom Führer entfernt.
Um 15:24:05 Uhr erreichte der Wolf den Hund und es kam zum Kampf. Im Kiefernbaumholz war dieser Platz durch aufgewühltes Moos und mehrere Schweißflecken zu erkennen. Das GPS-Signal des Hundes bewegt sich die gesamte Zeit bis 15:33:52 Uhr und verharrt maximal 13 Sekunden an einer Stelle. Dann wurde Ajax wahrscheinlich getötet. Die folgenden Bewegungen, die das GPS-Halsband noch aufzeichnet, zeigen mutmaßlich das Umherschleifen des getöteten Hundes durch den Wolf, als dieser auf der Suche nach einem geeigneten Platz war, um diesen zu fressen. Diese Position ist um 16:06 Uhr erreicht.
Da der Hund nicht mehr zu hören war und das GPS-Signal des Halsbandes bei etwa 1000 Meter Entfernung nicht mehr empfangen wurde, begibt sich der Führer auf die Suche nach dem Hund. Er fährt in Richtung des letzten Signalempfangs. Dabei trifft er den Wachposten der Bundeswehr, der ihm den laut jagenden Hund bestätigte. Bei der Fahrt auf der B115 kommt das Signal des Halsbandes wieder und der Führer kann jetzt gezielt nach dem Hund suchen.
Um 16:20 Uhr wird Ajax tot gefunden. Der kurze Zeitraum zwischen der letzten größeren Bewegung des Signals und dem Auffinden sprechen dafür, dass der Wolf beim Fressen gestört wurde und sich zurückzog.
Vom Zustand des Kadavers lässt sich ablesen, dass die Bracke sich während des Kampfes wahrscheinlich in die Unterwürfigkeitsposition, also auf dem Rücken liegend, begeben hat. Der tödliche Biss erfolgte offensichtlich über den Brustkorb von der Bauchseite her. Am Brustkern war ein starker Blutschwamm unter dem Fell erkennbar, im dem dem Rücken zugewandten Teil der Rippen waren Löcher durch die Fangzähne zu sehen. Im dem dem Brustbein zugewandten Bereich befanden sich Löcher durch die Reißzähne. An der linken Körperseite, welche durch die Fraßaktivität enthäutet war, wurde außerdem eine durchgebissene Rippe sichtbar. Zudem war die Flanke rechtsseitig handtellergroß eröffnet. Dies ggf. schon im Kampf? Es erscheint jedenfalls so, dass das Anfressen der Beute bis zum Auffinden nur von der linken Körperseite erfolgte, das Loch in der rechten Flanke wie erwähnt im Zuge des Kampfes dem Hund beigebracht wurde.
Dieser Absatz enthält viele Annahmen und ist eher Interpretation der Verletzungen des Hundes. Ein genauer Hergang des Tötens hätte nur in einem Gutachten durch die Landesuntersuchungsanstalt festgestellt werden können, hätte aber bedeutet, dass wir Ajax nicht mehr zurückbekommen hätten.
In der Zwischenzeit ist auch über genetische Proben vom Kadaver des Hundes bestätigt worden, dass der Hund durch den Rüden des territorialen Rudels getötet wurde. Die Bracke wurde also nicht wie anfänglich vermutet durch den mit Räude befallenen Wolf gerissen.
Schlussfolgerungen
Es ist der erste bekannt gewordene Fall, dass ein Jagdhund nach der Wiederansiedlung der Wölfe in Deutschland während der Jagd durch einen Wolf getötet wurde. Nun geht es darum die Gefahren für die Jagdhunde durch die Wölfe zu verringern. Auch die Hundeführer müssen sich auf die neue Situation einstellen.
Dazu gehört:
- dass in der Ranzzeit keine Hunde mehr im Wolfsgebiet frei laufen gelassen werden,
- dass Plätze an denen Wölfe in der Nähe vermutet werden müssen (Rissnähe, Rendezvousplätze, …) gemieden werden,
- dass in der Drückjagd Hunde erst ca. eine halbe Stunde nach dem Beginn des Treibens geschnallt werden,
- dass freijagende Hunde mit einem Glöckchen oder ähnlichen ausgestattet werden,
- dass die jagenden Hunde mit Schlagschutzwesten ausgestattet werden, die auch einen gewissen Schutz gegen Wolfsübergriffe bieten,
- dass die Hunde über GPS-Geräte auffindbar sind und
- dass Hunde, die sich mal nicht vom Führer lösen, nicht zur Jagd gezwungen werden.
Diese Liste ist sicherlich noch nicht abschließend. Die Ziffern 3 und 4 sind dafür wichtig, dass im Treiben vorhandene Wölfe nicht durch die Jagdsituation oder den Hund, der gerade nicht jagt, überrascht werden und dann aggressiv reagieren.
Ajax Tod muss nicht umsonst gewesen sein!
Eine weitere sicherlich nicht ganz einfach umzusetzende Maßnahme ist es, dass die Hunde in der Ausbildung lernen, zwischen Waldspaziergang (freies Laufen um den Führer in bis zu 200 Meter Umkreis) und der Jagdsituation (zielgerichtetes Suchen, Finden und Jagen von Wild) zu unterscheiden. Insbesondere Stöberhunden ist dieses sicherlich schwerer beizubringen als zum Beispiel einem Vorstehhund. In den Bereich Ausbildung gehört auch, dass Hunde, die jagen sollen, nicht für das Anzeigen von Wolfsanzeichen (wie z.B. Markierstellen, Kothaufen, Haare) belohnt werden. Sie dürfen keine positive Verknüpfung mit dem Wolf herstellen!
Es mehren sich aber auch Berichte aus denen hervorgeht, dass die Wölfe in verschiedenen Rudeln die Scheu vor dem Menschen verlieren und den Jägern teilweise das erlegte Wild streitig machen, bzw. auch fehlende Scheu vor dem Menschen zeigen.
Wie können wir erreichen, dass die Wölfe Jagdsituationen oder Begegnungen mit dem Menschen als unangenehm wahrnehmen und meiden? Nur so ist die effektive Jagd mit Hunden im Wolfsgebiet möglich. Hier sind alle (Jäger, Hundeführer, Naturschützer, staatliche Administration, …) gefordert in einer konstruktiven Diskussion nach Lösungen zu suchen.
In unserer Kulturlandschaft ist die möglichst effektive Jagd notwendig um Schäden in der Land- und Forstwirtschaft durch Schalenwild gering zu halten oder die Tierseuchenprophylaxe (ASP-Problematik) umzusetzen. Dazu ist der Einsatz von brauchbaren, laut jagenden Hunden unabdingbar. Wenn aber gerade diese Hunde einer Gefahr durch die Wölfe ausgesetzt sind, wird diese Jagd nichtmehr möglich sein.
Wenn der Tod von Ajax die Hundeführer wachrüttelt und sie ihren Hundeeinsatz an die Situation im Wolfsgebiet anpassen und diese geforderte sachliche, zielorientierte Diskussion angestoßen hat, dann war er nicht sinnlos und umsonst!
Wir haben Ajax im kleinen Kreis ein würdevolles Begräbnis bereitet. Er wird mir als treuer Jagdkamerad fehlen. Wir hatten noch so vieles gemeinsam vor!
Jan Prignitz
Die Zukunft der Jagd in Wolfsgebieten
Der Bundesforstbetrieb Lausitz erhielt nach dem Tod von „Ajax“ auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz Anfragen, warum man Ende Januar noch Bewegungsjagden auf Rotwild durchführe. Gleichzeitig wird in den Medien und auf sozialen Foren intensiv diskutiert, ob angesichts des Todes der Bracke in Zukunft die Jagd mit Hunden in Wolfsgebieten noch möglich ist.
Die meisten Leser des Berichtes des Hundebesitzers leiten aus seinen Ausführungen ab, dass „Ajax“, die Bracke, „zur Suche nach Wild geschnallt“ und der Führer sich bereit macht, „das Wild eventuell zu erlegen, wenn es den Rückwechsel annimmt“, dass sich Jäger zur Jagd getroffen haben und in diesem Rahmen den Hund stöbern ließen. Auch die Aussage des Hundeeigentümers, dass dies der erste bekannt gewordene Fall sei, bei dem ein Jagdhund „während der Jagd durch einen Wolf getötet wurde“, verstärkt diesen Eindruck.
Tatsächlich fehlen im Bericht des Hundeeigentümers, der während des Vorfalls verreist war und erst einige Tage nach dem Vorfall zurückgekehrt ist, Facetten, die für die Einordnung des Falls wichtig sind. Der Führer des Hundes war in seiner Funktion als Revierförster mit Auszeichnen von Bäumen beschäftigt, als er am 30. Januar 2018 nachmittags die Bracke frei laufen ließ. Er legte dem Hund ein GPS-Halsband an, weil dem Führer bekannt war, dass der Hund gelegentlich weit jagt. Auch hoffte er, dass sich in seinem neuen Revier parallel eine Chance ergeben würde, noch ein Stück Wild zu erlegen. Der Hund stöberte zunächst in der Umgebung des Hundeführers und entfernte sich schließlich. Tatsächlich nahm der Revierleiter nach dem Auszeichnen noch einen weiteren Termin wahr, ehe er sich auf die Suche nach dem Hund begab.
Der Rüde wurde 1500 Meter vom Hundeführer entfernt während der Ranzzeit durch den territorialen Wolfsrüden getötet, nachdem die Bracke über eine Stunde ein Gebiet von zirka 150 Hektar beunruhigt hat. Somit ist es richtig, dass „Ajax“ „jagte“, als er getötet wurde. Es ist aber nicht richtig, dass er während einer „Jagd“ getötet wurde. Diese Differenzierung ist erforderlich, weil es sich um zwei grundverschiedene Situationen handelt, die unterschiedliche Präventionsmaßnahmen erfordern.
Die vom Hundebesitzer in seinem Bericht aufgeführten Lehren entsprechen in weiten Teilen der Praxis bei den herbstlichen Bewegungsjagden in Wolfsgebieten – beim Bundesforst und darüber hinaus. Diese auch im DJV-Faltblatt „Hundearbeit im Wolfsgebiet“ zusammengefassten Empfehlungen greifen jedoch nicht, wenn der Hund alleine weit weg vom Hundeführer im Wolfsgebiet jagt. Die einzige vernünftige Präventionsmaßnahme gegen das, was „Ajax“ widerfahren ist, ist die Unterlassung.
Hunde im Januar unkontrolliert jagen zu lassen, zu einer Zeit, in der Reh- und Rotwild ihren körpereigenen Stoffwechsel in den Sparmodus bringen und die Ranzzeit der Wölfe beginnt, stellt im Bundesforstbetrieb eine Störung des Jagdbetriebes dar und entspricht nicht einer guten fachlichen Jagdpraxis. Im Bundesforstbetrieb Lausitz wird wiefolgt gejagt.
Grundsätze:
- Jagd Mitte April bis Ende Mai und September bis Januar.
- Januarjagd witterungsabhängig, gezielt auf Reh und Sau.
- Fokus auf Gemeinschaftsansitze und Bewegungsjagden.
- Keine Trophäenjagd.
Ziele:
- Minimierung der von der Jagd ausgehenden Störungen auf die Wildtiere durch relativ kurze Jagdzeiten.
- Einflussnahme auf die Höhe der Wildbestände mit dem Ziel, die natürliche Waldverjüngung zu fördern und Schäden auf landwirtschaftlichen Flächen zu reduzieren.
Viele Hundeführer können nicht ausschließen, dass ihnen ihr Hund entläuft und sich dann eventuell vergleichbares Geschehen wie im Fall „Ajax“ anschließt. Es gilt weiterhin, dass wir auch bei gut organisierten Bewegungsjagden gefährliche Begegnungen zwischen Wolf und Hund mit gegebenenfalls tödlichem Ausgang nicht ausschließen können. Der Fall der Bracke „Ajax“ ist dafür allerdings keine Vorlage. Franz Graf von Plettenberg