Wie oft waren wir uns uneinig, weil er auf die Jagd wollte? Wie oft hab ich Abende und Nächte alleine zu Hause verbracht? Wie oft hab ich immer wieder Verständnis für seine Jagdpassion gehabt? Egal - heute gehe ich mal mit. Vielleicht auch, weil ich den Artikel gelesen habe, der in der Zeitung ,,Unsere Jagd' steht, die er schon genau so viele Jahre abonniert hat, wie er Jäger ist. Mitgehen, erleben, berichten, das will ich heute mal tun.
Ich hatte keine große Hoffnung auf irgendwas, denn mir war bekannt, dass der Jäger oft erfolglos zur Jagd geht. Was für mich erfolglos ist, bedeutet für den Jäger, sein Revier zu begutachten. Wir fuhren also in sein Feldrevier, das ich eigentlich kenne. Schon das war ganz anders. Normalerweise verlasse ich die Straße nicht aber heute musste es sein, um an die Kanzel zu kommen, auf die wir uns setzen wollten. Als wir darauf saßen, wurde es mir etwas mulmig. Ich wusste, dass er heute einen Rehbock schießen wollte. Rehe, seien es nun männliche oder weibliche, finde ich doch sehr niedlich. Aber es gehört nun mal dazu. Erst einmal passierte nicht viel und es war Zeit, mir etwas Jagdliches zu erklären. Es heißt natürlich nicht einfach weiblich oder männliches Reh, sondern Ricke oder Rehbock. Jäger haben ihre Jägersprache: Im ersten Lebensjahr nennen sie das männliche Stück ein Bock-Kitz, im zweiten ist es ein Jährling, im dritten ein zweijähriger Bock usw. Ein weibliches Reh ist im ersten Lebensjahr ein Ricken-Kitz, dann ein Schmalreh und im dritten Lebensjahr dann eine Ricke. Ob ich mir das in Zukunft merke, ist sehr unwahrscheinlich aber trotzdem mal interessant zu hören. Es wurde so langsam dämmrig draußen und nach und nach waren einige Ricken und sogar Kitze zu sehen. Das war echt schön. Erst sieht man nichts und plötzlich sind sie da. Nun hatte ich was zu beobachten und es war herrlich. Die Kitze spielten miteinander und tollten umher. Dann kam ein Rehbock auf uns zu und ich war ganz aufgeregt was jetzt passiert. Doch meine Sorge war umsonst, denn mein Jägerehemann erklärte mir, dass dieser kein Abschussbock ist. Sie schießen also nicht irgendeinen Bock ab, das ist doch schön mal zu erfahren.
Mir wurde erklärt, dass der Bock erst genau in Augenschein genommen wird. Sie begutachten den Bock, wie sein Gehörn ausgebildet ist. Jägersprachlich heißt das, ein Stück Rehwild ansprechen. Ein Bock mit einem starken Gehörn wird nicht geschossen wenn er zu jung ist, denn der soll sich weiter vererben. Ich war sehr froh darüber, dass es ein guter Bock war. Nun konnte ich in Ruhe weiter schauen und beobachten. Es hat wirklich eine entspannende Wirkung auf einen, so ruhig da zu sitzen, nur zu schauen und zu hören. Man hat das Gefühl, dass es immer wieder was anderes zu sehen gibt oder ein anderes Geräusch zu hören ist. Angenehm, sehr angenehm. Umso mehr in der heute so hektischen, lauten Welt. Das wurde mir schnell bewusst. Als der zweite Rehbock auf uns zu zog, wunderte ich mich über doch so allerhand Rehwild hier im Revier. Hätte ich gar nicht gedacht.